zyndfunken – der Podcast
Transkript: ZYNDFUNKEN Folge 4
00:00:00:08 - 00:00:11:18
Cedric: Ohne die Unterstützung von meinen Eltern, von meiner Familie, von dem Herrn Jakobitz der Handwerkskammer, weiß ich nicht, ob ich da jetzt hier wäre, wo ich heute bin.
00:00:19:05 - 00:00:41:01
Intro:
zyndfunken – der Podcast für den Weg zu deinem Traumberuf.
Wir sprechen mit spannenden Gästen über ihre Geschichten, Hochs und Tiefs.
Wir stellen Fragen und geben dir die Antworten.
Auslandsaufenthalte. Eine Ausbildung mit Beeinträchtigungen. Studienabbrüche.
Diese und weitere Themen, die beim Übergang in Ausbildung und Beruf eine Rolle spielen können, tauchen hier auf.
00:00:41:01 - 00:01:05:23
Luca: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von zyndfunken, dem Podcast rund um Ausbildung, Berufseinstieg und Erfahrungsberichte im Thema berufliche Orientierung.
Heute sprechen wir über ein Thema, das ganz häufig unter dem Radar läuft – Ausbildung mit Beeinträchtigung.
Was heißt das eigentlich? Welche Herausforderungen können entstehen und welche Beratungsmöglichkeiten gibt es? Darüber wollen wir heute sprechen.
00:01:05:24 - 00:01:43:11
Wir haben heute zwei Gäste: Der erste ist Cedric Schulze, erst 21 Jahre alt und angehender Land- und Baumaschinenmechatroniker.
Er lebt mit einer chronischen Erkrankung, die heißt Morbus Crohn.
Und er erzählt in dieser Folge, wie er seinen Weg in die Ausbildung gefunden hat, mit welchen Herausforderungen er wie umgeht und was ihn motiviert.
Und wir sprechen mit Christian Jakobitz. Er ist Ausbildungsberater bei der Handwerkskammer Cottbus und berät Jugendliche, Eltern und Betriebe, wenn es Fragen oder Unsicherheiten rund um die Ausbildung insgesamt, aber insbesondere auch in der Inklusion gibt.
Er kennt viele Wege, wie Ausbildung auch bei schwierigen Bedingungen gelingen kann.
00:01:44:18 - 00:01:59:21
Cedric, du bist jetzt fast am Ende deiner Ausbildung. Der Abschluss steht also kurz bevor.
Wir wollen mal in deine Geschichte gucken und sehen, wie das alles so angefangen hat.
Hast du dir gedacht: „Okay, die Ausbildung, die du jetzt machst, das wird dein Lebensinhalt?“ Wusstest du das schon immer?
00:01:59:21 - 00:02:08:20
Cedric: Ja, also die Landwirtschaft hat mich schon immer interessiert. Wegen den großen Maschinen – das fand ich immer cool.
00:02:08:20 - 00:02:13:08
Luca: Und das heißt, du hast dir schon gedacht: „Okay, in diesem Bereich könnte es was werden mit der Ausbildung?“
00:02:13:08 - 00:02:14:13
Cedric: Ja, definitiv.
00:02:14:13 - 00:02:28:02
Luca: Wir haben in unserer ersten Folge mit Fabio gesprochen. Fabio hatte einen ähnlichen Gedanken. Der wollte nämlich immer mit großen Fahrzeugen fahren und ist dann irgendwann LKW-Fahrer geworden. Es wirkt auf mich so, als wäre da bei dir auch was Emotionales dahinter.
00:02:28:09 - 00:02:46:05
Cedric: Ja, schon. Ich habe aber schon als kleines Kind immer im Feld gestanden, wenn die Ernte war, und bin auch mitgefahren. Und dann habe ich halt irgendwann ein Interesse dafür entwickelt – auch für die Technik, vor allem, wie das alles funktioniert. Und ich find’s mega spannend.
00:02:46:05 - 00:02:55:08
Luca: Und wir wollen ja heute sprechen über deine Ausbildungszeit, auch unter dem Fokus der Beeinträchtigung, die du hast. Du hast Morbus Crohn. Wann ist diese Diagnose bekannt geworden?
00:02:55:08 - 00:02:58:18
Cedric: Ungefähr im März 2021.
00:02:58:21 - 00:03:02:21
Luca: Und wie war das für dich? Wie kam das, dass du es am Ende diagnostiziert bekommen hast?
00:03:03:09 - 00:03:09:09
Cedric: Ich bin ins Krankenhaus gekommen wegen einem Verdacht auf Blinddarmentzündung. Und da hat man dann das eben festgestellt.
00:03:12:05 - 00:03:15:05
Luca: Was für Symptome hat man da?
00:03:15:05 - 00:03:24:23
Cedric: Symptome sind vor allem erhöhter Stuhlgang, Bauchschmerzen – man fühlt sich halt energielos.
00:03:24:23 - 00:03:30:18
Luca: Wie lange hast du denn mit diesen Symptomen und mit dieser Krankheit gelebt, ohne zu wissen, dass du sie hast?
00:03:30:18 - 00:03:56:09
Cedric: Ich schätze ein halbes Jahr, bis ich das mitbekommen habe. Es war dann halt irgendwann so weit, dass ich wegen dem Blinddarm ins Krankenhaus gekommen bin, und die Bauchschmerzen waren so enorm, dass mein Darm zwei Löcher hatte. Da hat man es einfach nicht mehr ausgehalten – dann muss man ins Krankenhaus. Da habe ich mich immer so ein bisschen davor gescheut.
00:03:56:09 - 00:04:02:05
Luca: Aber klar, weil man vielleicht denkt, das ist jetzt gar nichts so Relevantes oder das wird schon wieder?
00:04:02:05 - 00:04:11:01
Cedric: Genau. Man geht ja erst mal nicht davon aus. Ich kannte ja diese Krankheit gar nicht vorher. Ich wusste gar nicht, dass es so was gibt. Und ich glaube, das geht vielen so.
00:04:11:01- 00:04:42:24
Luca: Also Morbus Crohn ist ja quasi eine chronische Darmerkrankung, und dementsprechend sind auch einige Menschen betroffen. Aber so richtig drüber gesprochen wird ja ganz häufig eben nicht. Deswegen sind wir ja auch so froh, dass du heute ein paar Fragen auch dazu beantwortest.
Du hast gerade erzählt, Cedric, dass deine Diagnose jetzt schon etwa vier Jahre alt ist und dass du da ja in einer ganz spannenden Phase warst. Du warst gerade aus der Schule raus, hast nach der zehnten Klasse die Schule verlassen und wolltest eine Ausbildung machen. Wie war das damals? Wo wolltest du da eigentlich hin?
00:04:42:24 - 00:05:27:18
Cedric: Ich wollte gerne mit den großen Maschinen arbeiten – Traktoren, Mähdrescher und Häcksler – und habe daraufhin dann eine Ausbildung als Landwirt angefangen. Habe dann aber gemerkt, dass da auch sehr viel mit Tieren dabei ist, und das hat mir einfach nicht so gefallen. Daraufhin habe ich dann noch mal gewechselt und die Ausbildung als Land- und Baumaschinenmechatroniker angefangen. Nach sechs Monaten kam dann die Diagnose, und das war ja so, dass es eine Not-OP war. Ich war dann erst mal neun Monate ausgefallen – mit allem Drum und Dran. Der Betrieb hat es dann erst später mitbekommen durch die Krankschreibung, und man hat halt auch offen drüber gesprochen.
00:05:28:08 - 00:05:43:18
Luca: Das klingt für mich ziemlich heftig, weil man dann ein halbes Jahr in diesem Betrieb ist, schon die ganzen Symptome hat, und du erzählst gerade von einer Notoperation, die dann zu dieser Diagnose geführt hat. Wie war das für deinen Betrieb und für dich? Also wie seid ihr damit umgegangen?
00:05:43:18 - 00:06:27:24
Cedric: Ja, ich denke, das ist ja nichts, was häufig passiert. Dadurch hat man ja auch keine Erfahrung. Und dadurch, dass ich so lange ausgefallen bin mit Reha und allem, habe ich mich dann dazu entschieden, die Ausbildung noch mal im ersten Lehrjahr zu starten. Leider konnte ich die Ausbildung in dem Betrieb nicht weitermachen, da der Meister gekündigt hatte, und deswegen mussten wir einen neuen Betrieb suchen, wo ich meine Ausbildung fortsetzen kann. Das ist aber gar nicht so leicht, wenn das erste Jahr schon läuft. Da haben wir Unterstützung bekommen von der Handwerkskammer, von dem Herrn Jakobitz.
00:06:28:04 - 00:06:40:10
Luca: Also ich meine, du hattest zu kämpfen mit einer heftigen Erkrankung und mit den Folgen einer Operation und dann auch noch mit dieser Frage, wie du jetzt mit der Ausbildung und der beruflichen Zukunft umgehen kannst. Wie war das für dich ganz persönlich?
00:06:40:10 - 00:06:55:02
Cedric: Das war wirklich schwierig. Also ohne die Unterstützung von meinen Eltern, von meiner Familie, von dem Herrn Jakobitz der Handwerkskammer – ich weiß nicht, ob ich da jetzt hier wäre, wo ich heute bin.
00:06:55:02 - 0:06:58:05
Luca: Hast du gedacht, du wirst vielleicht gar keine Ausbildung absolvieren können?
00:06:59:05 - 00:07:08:14
Cedric: Nee, das habe ich nicht gedacht. Aber ich hätte nie gedacht, dass es so gut funktioniert – so schnell vor allem. Und ich bin sehr dankbar dafür.
00:07:08:22 - 00:07:19:16
Luca: Wie lange hat das gedauert, dich vom ersten Betrieb in den zweiten vermitteln zu lassen? Also als der Meister gekündigt hat, seid ihr dann auf die Suche gegangen, denk ich. Und wie lange musstest du da zittern und warten?
00:07:13:03 - 00:07:16:14
Cedric: Das ging auf jeden Fall richtig schnell. Herr Jakobitz hat sich direkt mit TWL in Verbindung gesetzt, und dadurch konnte ich innerhalb von zwei Monaten in den neuen Betrieb wechseln.
00:07:37:13 - 00:07:39:15
Luca: Und das ist jetzt dein aktueller Betrieb?
Cedric: Genau.
00:07:39:15 - 00:07:40:16
Luca: Was macht der?
00:07:40:16 - 00:07:59:03
Cedric: Wir reparieren hauptsächlich Claas-Mähdrescher, Häcksler, Traktoren, Weidemann, Amazone und ähnliche Maschinen.
Luca: Und was ist dein konkreter Job?
Cedric: Ich repariere Traktoren, Mähdrescher, Häcksler – mache Service und Wartung.
00:07:59:03 - 00:08:03:06
Luca: Und das bedeutet auch zum Beispiel die Prüfung von Geräten nach einer bestimmten Zeit?
00:08:03:06 - 00:08:16:21
Cedric: Bei uns gibt’s so einen „Nach-Ernte-Check“, wo der Mähdrescher nach der Ernte zu uns kommt oder wir zum Kunden rausfahren und dann eben schauen, was kaputt gegangen ist und das dann reparieren.
00:08:17:06 - 00:08:31:11
Luca: Ich möchte noch einen kurzen Blick mit dir zurück wagen – so in die Schulzeit. Da gab es die Diagnose noch nicht, das haben wir gerade rausgefunden. Du hast da gesagt, diese Begeisterung für Landwirtschaft und für die großen Maschinen hattest du da schon. Hast du in deiner Schulzeit Praktika gemacht?
00:08:31:11 - 00:08:40:22
Cedric: Ja, Praktikum habe ich gemacht, bei der Agrargenossenschaft in meinem Ort. Und dadurch ist das eigentlich auch alles so mehr oder weniger zustande gekommen.
00:08:42:01 - 00:09:15:15
Luca: Vielen Dank für deine Geschichte, Cedric – auch, dass du uns so ein bisschen berichtet hast, dass man eben nicht in der ersten Ausbildung schon alles festlegen muss, sondern dass man durchaus auch mal einen Wechsel machen kann, wenn man mit einer anderen Ausbildung glücklicher ist.
Wir wollen auch sprechen über deine Krankheit selbst – Morbus Crohn. Du hast gerade schon erzählt, was das ist – eine chronische Darmerkrankung mit zum Teil auch echt heftigen Symptomen. Für viele ist das ja aktuell noch ein Fremdwort. Wenn ich jetzt auf der Straße Leute frage, werden das nicht viele kennen.
Was bedeutet das denn heute, wo du die Diagnose hast, ganz konkret in deinem Alltag?
00:09:17:22 - 00:10:05:02
Cedric: Im Prinzip habe ich mit dem Morbus Crohn relativ wenig Probleme. Ich bekomme alle acht Wochen Medikamente intravenös, da muss ich nach Cottbus fahren. Das hat sich inzwischen so gut eingependelt, dass ich relativ wenig Probleme habe.
Also ich habe keine Bauchschmerzen mehr und so was. Was etwas unschön ist: Das Medikament hat teilweise starke Nebenwirkungen – zum Beispiel dieses ausgelaugt sein, was auch im Alltag ziemlich anstrengend sein kann, vor allem auf der Arbeit.
Ich habe auch mit dem Betrieb darüber gesprochen – die verstehen das. Deswegen ist das soweit eigentlich okay.
00:10:05:02 - 00:10:13:11
Luca: Das heißt, der Betrieb unterstützt dich darin auch? Und wenn du sagst, du kannst mal einen Tag aus irgendwelchen Gründen nicht, weil du zu ausgelaugt bist – dann gibt es da Verständnis für, und ihr sprecht darüber?
00:10:14:11 - 00:10:28:07
Cedric: Genau. Verständnis würde es dafür geben. Hatte ich bis jetzt zwar noch nicht den Fall, aber ich denke, wenn es wirklich soweit kommen sollte, dann wäre der Betrieb der Letzte, der sagen würde: „Geht nicht.“
00:10:28:07 - 00:10:42:06
Luca: Jetzt ist Morbus Crohn ja eine Beeinträchtigung, die eben nicht direkt sichtbar ist. Wenn man dich anschaut, weiß man ja nicht, dass du eine chronische Erkrankung hast. Haben da manche Leute in deinem Umfeld kein Verständnis, weil sie sagen: „Na ja, so schlimm kann es ja nicht sein“?
00:10:42:18 - 00:11:12:03
Cedric: Tatsächlich verstehen das viele. Ich habe noch nie negative Erfahrungen gemacht. Was mich selbst eher beeinträchtigt, ist, dass ich – weil mein Bauch ja aufgeschnitten wurde – Probleme beim Heben von schweren Sachen habe.
Da gab es aber eine Arbeitsplatzausstattung für mich in der Firma. Dazu gehört zum Beispiel eine Hebebühne extra für mich, die ich alleine nutzen kann, ein Hubwagen, ein Motorheber – so Sachen eben.
00:11:12:10 - 00:11:15:10
Luca: Und das wurde dann extra für dich quasi in den Betrieb integriert?
00:11:15:22 - 00:11:31:17
Cedric: Genau, das wurde extra für mich integriert. Das ist vom Landesintegrationsamt gefördert, sodass der Betrieb die Kosten nicht alleine tragen muss. Ein Werkstattwagen gehört zum Beispiel auch dazu, sodass ich meinen Job ordentlich machen kann – mit dem passenden Werkzeug.
00:11:32:04 - 00:12:00:14
Luca: Und falls auch ihr, die gerade zuhört, ein Fragezeichen im Kopf habt und sagt: „Ah, das ist jetzt auch recht medizinisch – ich weiß gar nicht so genau, was damit alles gemeint ist“: Das ist ganz normal, denn es gibt Beeinträchtigungen, die mal sichtbar und mal weniger sichtbar sind, aber den Ausbildungsweg und auch den Alltag recht stark beeinflussen können.
Sprechen wollen wir jetzt mit Christian Jakobitz.
Er ist Ausbildungsberater bei der Handwerkskammer in Cottbus und hat sich insbesondere auf Inklusion fokussiert.
Christian, du begleitest ja schon viele Jugendliche – du hast mir erzählt, rund 360 Jugendliche sind in den letzten zehn Jahren über den Inklusionsteil in Ausbildung gekommen. Das ist schon echt ordentlich. Erzähl doch mal: Welche Beeinträchtigungen begegnen dir denn so häufig?
00:12:17:19 - 00:13:26:20
Christian: Alle, kann man fast sagen. Wir haben wirklich sehr viele verschiedene Lebenssituationen. Wenn wir das mal clustern wollen, dann haben wir ganz oft mit der klassischen Lernbehinderung zu tun. Also wir stellen uns mal den ja Förderschüler zehnte Klasse vor mit dem Abschluss, dem es vielleicht nicht ganz so leichtfällt, Theorie und Praxis zu verknüpfen oder der mehr Zeit braucht. Das ist auf jeden Fall an erster Stelle. Ganz klar.
Die chronischen Erkrankungen – die spielen eine ganz wichtige Rolle. Jetzt im Fall von Cedric haben wir Morbus Crohn. Aber auch rheumatische Erkrankungen, Diabetes, Mukoviszidose gehören dazu. Das fällt in diesen Bereich.
Die Sinnesbeeinträchtigungen, da haben wir es häufig mit Hörschädigung, mit Sehbehinderung weniger. Und wenn man jetzt auch noch mal in die nicht sichtbaren Bereiche reingeht, dann haben wir viele junge Menschen in der Ausbildung im Autismus-Spektrum.
Und worauf ich ein bisschen mit Sorge oder Bauchschmerzen schaue, ist dass viele junge Leute im Bereich der psychischen und seelischen Belastungen stark zunehmen – was auch noch mal eine besondere Herausforderung ist die Unternehmen.
00:13:26:20 - 00:13:36:07
Luca: Der Begriff „Beeinträchtigung“ ist also recht vielseitig – das geht von den sichtbaren wie wir gerade auch ja schon drüber gesprochen haben, das kann zum Beispiel eine motorische Einschränkung sein - bis zu nicht sichtbaren Einschränkungen. Vielleicht magst du mal ein, zwei Beispiele nennen?
00:13:39:04 - 00:13:53:01
Christian: Bei den motorischen Einschränkungen haben wir es zu tun mit Gehbehinderung, Rollstuhlnutzern oder beispielsweise auch mit Menschen, die kleinwüchsig sind. Das sind Beispiele für die motorischen Einschränkungen.
00:13:53:04 - 00:14:20:11
Luca: Und es gibt noch andere sichtbare körperliche Beeinträchtigungen – du hast jetzt von Gehbehinderung, motorischen gesprochen, auch zum Teil Seh- und Hörbeeinträchtigungen ist ein Thema. Und dann gibt es eben auch die nicht sichtbaren, du hast gerade schon ein paar Beispiele genannt. Diabetes ist sicherlich auch ein Thema. Sie steht zumindest hier auch bei mir. Und dass ihr auch die psychische Belastung mit dazu nehmt. das ist ja durchaus was, wo viele sagen und daher gilt das eigentlich schon als Beeinträchtigung? Wie diskutiert ihr darüber?
00:14:20:11 - 00:14:47:07
Christian: Das ist tatsächlich spannend. Weil viele Menschen mit seelischen oder psychischen Erkrankungen nicht unbedingt in den Bereich Behinderung und Inklusion reinfallen, weil der klassische Nachweis oftmals fehlt. Trotzdem hat der Gesetzgeber Möglichkeiten beispielsweise geschaffen durch eine Teilzeitausbildung auch Druck aus manchen Ausbildungsverhältnissen rauszunehmen. Und es ist wirklich so, dass die Jugendlichen nicht klassisch behindert sind, aber dass im Grunde die Ausbildung durchaus angepasst werden könnte, wenn eine psychische Beeinträchtigung vorliegt.
00:14:47:07 - 00:14:57:16
Luca: Ausbildung angepasst – was heißt das konkret? Wir haben ja gerade schon gehört, zum Beispiel so ein Werkstattwagen oder eine Hebebühne könnte unter Umständen ein Thema sein. Wie kann eine Ausbildung angepasst werden?
00:14:57:16 - 00:15:21:12
Christian: Also im Fall von Cedric ist es so, das hat er wunderbar beschrieben, dass wir technische Hilfen haben. Wir haben Hilfsmittel, die die Arbeit vereinfachen. Es gibt aber auch Varianten, wie man zum Beispiel eine Ausbildung mit weniger Theorie absolvieren kann, was vielen Jugendlichen hilft. Man kann die tägliche Belastungszeit senken durch eine Teilzeitausbildung, man kann Nachteilsausgleich in Prüfung gewähren oder auch Nachhilfeunterricht zur Verfügung stellen. Also die Möglichkeiten sind relativ vielfältig.
00:15:24:08 - 00:15:39:18
Luca: Und was muss man dafür tun, damit die Ausbildung angepasst wird? Also ich meine, das Technische ist das eine, das ist ja recht betrieblich. Wenn wir jetzt vom Unterrichtsstoff ausgehen,ist das ja dann ein schulischer Teil.Das ist in der dualen Ausbildung ja nun mal auf zwei Ebenen oder auf zwei Säulen gebaut. Was sind da die Voraussetzungen?
00:15:39:18 - 00:15:56:22
Christian: Voraussetzung ist, dass eine anerkannte Behinderung vorliegt. Und im Berufbildungungsgesetz heißt es, dass wenn man wegen Art und Schwere der Behinderung keine anerkannte Ausbildung machen kann, kann man eine theoriereduzierte Ausbildung machen und der Nachweis ist dann über die Agentur für Arbeit zum Beispiel zu erbringen.
00:15:56:22 - 00:15:58:02
Luca: Und trotzdem kann man dann in diesem Beruf arbeiten?
00:15:56:22 - 00:16:09:00
Christian: Man kann in dem Beruf arbeiten. Oftmals erkennt man die Theorie reduzierten Berufe unter der Bezeichnung Fachpraktiker und das sind Jugendliche, die sehr oft in der Praxis total begabt sind und wo die Berufsschule dann etwas schwerer fällt.
00:16:09:10 - 00:16:25:12
Luca: Aber das muss doch für die Jugendlichen auch was Cooles sein. Wenn du, ich gehe davon aus, erst mal getestet hast, ist das was mit der Ausbildung für mich und da ist schon viel Frust da, weil es irgendwie nicht funktioniert. Und dann gibt es eben doch noch die Option im beruflichen Weg, noch einen, noch einen großen Schritt weiter zu gehen. Wie erlebst du das?
00:16:25:12 - 00:17:00:10
Christian: Es ist tatsächlich zu wenig bekannt, muss ich sagen. Es gibt viele Jugendliche, die sehr deprimiert kommen und sagen „Ich kann ja diesen Beruf nicht lernen. Also ich habe keine Möglichkeit, jetzt auf dem Ausbildungsmarkt Fuß zu fassen.“ Und wenn man eröffnet, dass es diese Möglichkeit ja doch gibt, nur mit einer angepassten theoretischen Variante, dann erleben wir da richtige Entwicklung auch bei den jungen Menschen. Wir haben tatsächlich auch sehr viele Azubis, die von dieser Theorie reduzierten Variante zum Schluss noch im Gesellen und Vollberuf landen und die heute ja also anerkannter Bestandteil im Betrieb sind.
00:17:00:10 - 00:17:17:18
Luca: Luca: Wirklich eine beeindruckende Arbeit, die ihr da leistet. Das ist ja nicht immer so leicht, wie es dann vielleicht am Ende wirkt, wenn dann alles geklappt hat. Was hilft Jugendlichen denn konkret, die sich fragen „Geht das überhaupt mit meiner Beeinträchtigung?“ „Was sollte ich jetzt tun?“ Wo kann man sich dann dran wenden, wenn man nicht aus Cottbus kommt und euch schreiben?
00:17:17:18 - 00:18:03:03
Christian: Also das Gesetz ist ja für alle gleich, Es gibt ja kein Cottbuser Bildungsgesetz. Also man hat tatsächlich die Möglichkeit, erst mal bei der Agentur für Arbeit im Übergang Schule Beruf zu beginnen. Auch da gibt es einen Fachbereich für Teilhabe, Rehabilitation. Der Integrations-Fachdienst unterstützt beispielsweise im Übergang Schule Beruf für Menschen, die behindert oder schwerbehindert sind. Und was wir nicht vergessen dürfen, ist der Arbeitgeber. Es kommen auch Jugendliche zu mir und sagen „Ich habe einen Betrieb, der mich ausbilden würde, aber der Betrieb weiß nicht richtig, wie es geht.“ Und da verweise ich immer gerne auf die Inklusionsberater in den Kammern. Nicht nur im Handwerk, auch in Industrie und Handel und vor allem auch an die, EAA, die einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber. Also es gibt ein breites Beratungsnetzwerk.
00:18:03:03 - 00:18:37:00
Luca: Wir haben gerade gehört, an wen man sich wenden kann, wenn man mit einer Beeinträchtigung lebt und eine Ausbildung im Blick hat, die man gerne machen möchte. Und das es eben auch Möglichkeiten gibt, die Ausbildung anzupassen. Und das geht in ganz Deutschland eben nicht nur in einzelnen Bereichen, sondern das Gesetz, wie Christian Jakobitz es gerade sagte, ist für alle gleich und die Beratungsstellen helfen dabei.
Wir wollen jetzt noch einmal mit Cedric sprechen über seine Ausbildung. Du hast gerade erzählt, ein Betrieb ist recht verständnisvoll, was deine Krankheit angeht und das ist ja was Tolles, dass man da so unterstützt wird. Wie ist das dann in der Schule? Also du musst ja glaube ich auch Klausuren schreiben usw. Gab es da schon mal Schwierigkeiten?
00:18:37:00 - 00:18:49:14
Cedric: Ähm, Schwierigkeiten gab es da eigentlich noch nie. Hat immer bis jetzt gut funktioniert. Die Lehrer wussten auch Bescheid über meine Erkrankung und daher ist da soweit alles okay.
00:18:47:17 - 00:18:53:10
Luca: War dir das unangenehm, das zu erzählen? Also ich meine, viele Leute sind ja was ihre Krankheiten angeht eher privat.
00:18:53:14 - 00:19:16:07
Cedric: Ja, das ist bei mir eigentlich auch eher der Fall. Ich rede auch nicht gern über die Krankheit, aber ich meine im Prinzip, man kommt ja nicht drum rum. So, wenn ich im Unterricht dringend auf die Toilette muss und dem Lehrer aber nicht sage, dass ich diese Krankheit habe, dann lässt er mich draußen vor der Tür stehen und …
Luca: … dann wird es unschön.
Cedric: Richtig.
00:19:16:07 - 00:19:56:05
Luca: Ja, und gerade deshalb sind wir so dankbar, dass du uns heute ein bisschen berichtest, weil, das geht ja vielen so, dass wir sagen na ja, sie haben eben diese Beeinträchtigung oder diese Krankheit oder diese diese Schwierigkeit dann im Alltag und reden da nicht so viel drüber. Wir sollten das und das ist das Ziel auch dieser Folge eben etwas bekannter machen, dass es Möglichkeiten gibt, damit umzugehen und dass man da nicht den Kopf in den Sand stecken muss.
Und jetzt, wo wir über die Krankheit gesprochen haben, über deinen Alltag in der Ausbildung, in den Lehrgängen, in der Schule etc., wollen wir auch über deine Zukunftsperspektive sprechen und das ja, was dich gerade so begeistert und wo du gerne noch hin möchtest. Du stehst ja kurz vor dem Ende deiner Ausbildung und ich glaube den ersten Teil der Prüfung hast du schon erledigt, richtig?
00:19:56:13 - 00:20:15:20
Cedric: Genau. Die Zwischenprüfung ist durch – die zählt zu 30 % mit in die Abschlussprüfung. Ich habe also schon mal einen guten Grundbaustein gelegt und bin relativ positiv.
00:20:15:20 - 00:20:32:06
Luca: Und wenn du deine Ausbildung dann abgeschlossen hast, also im Januar mit dem letzten Teil der letzten Prüfung quasi durch bist, dann wird das ja vielleicht noch ein bisschen dauern, bis du dann Bescheid bekommst, was das am Ende für eine Benotung ist. Und dann bist du ja mit der Ausbildung fertig und ausgelernt.
Cedric: Genau.
Luca: Was ist dann dein Plan für danach?
00:20:32:06 - 00:20:46:05
Cedric: Mein Plan ist auf jeden Fall, erst mal bei TWL zu bleiben in der Firma und dann schauen, was sich was sich ergibt. Wenn es mir dort so gut gefällt, dann sehe ich da auch kein Problem drin in dieser Firma zu bleiben.
00:20:46:05 - 00:20:55:11
Luca: Ja, also man muss ja nicht zwangsweise wechseln, nur um zu wechseln, wenn man glücklich ist. Aber kannst du dir vorstellen, dann vielleicht doch noch eine Weiterbildung oder so was zu machen? Was gibt es da für Optionen?
00:20:55:11 - 00:21:15:17
Cedric: Also für mich steht dann nach der Ausbildung erst mal im Vordergrund von dem Medikament Stück für Stück die Dosierung zu reduzieren. Und da man halt eben nicht weiß, wie, wie sich das auswirkt auf den Körper, auf den Morbus Crohn, mache ich mir jetzt erst mal nicht ganz so viel Pläne in Richtung Meister oder Techniker.
00:21:16:10 - 00:21:22:19
Luca: Also das heißt, es könnte schon passieren, dass du das irgendwann ins Auge fasst, aber du priorisiert erst mal deine Gesundheit.
Cedric: Genau.
00:21:22:19 - 00:21:33:24
Luca: Cedric, was würdest du anderen jungen Menschen raten, die aus der Schule kommen, eine Ausbildung machen wollen, aber eben mit der eine oder der anderen Beeinträchtigung zu leben haben? Was ist für die wichtig?
00:21:33:24 - 00:21:40:23
Cedric: Ich denke, es ist wichtig, nicht aufzugeben, immer dran zu bleiben und nach vorne zu schauen.
00:21:40:23 - 00:21:43:23
Luca: Und wie geht man am besten mit schwierigen Phasen um?
00:21:44:20 - 00:21:57:06
Cedric: Zähne zusammenbeißen und durch. Ich kann schon empfehlen, mit Leuten auch darüber zu sprechen über seine Probleme und sich da auch Hilfe zu suchen in die Richtung, wenn es wirklich gar nicht mehr geht.
00:21:57:06 - 00:22:02:05
Luca: Christian, was würdest du sagen, sind so die Gemeinsamkeiten im Umgang? Also was kannst du allen empfehlen?
00:22:02:05 - 00:22:32:18
Christian: Ich kann allen empfehlen, nicht aufzugeben. Es gibt Phasen, die sind immer schwieriger als andere. Das ist in jeder Ausbildung so, da geht es nicht um die Beeinträchtigung. Was ich oft erlebe, ist ja die Vogel-Strauß-Taktik Kopf in den Sand und ich mach da nicht mehr mit. Und da muss man sich öffnen. Man muss mit Menschen sprechen und umso mehr versucht wird, eine Beeinträchtigung zu verheimlichen, umso schwieriger sind eigentlich die Auswirkungen. Offenheit ist ganz, ganz wichtig und wirklich aktiv bleiben und mit Themen offensiv umzugehen.
00:22:32:18 - - 00:22:56:09
Luca: Das klingt motivierend. Gleichzeitig kann ich mir aber auch vorstellen, aus einer Perspektive von jemandem, der eben nicht davon betroffen ist, dass das auch echt schwierig sein kann und das dann Leute vielleicht auch zu dir kommen und sagen Na ja, ich komme gar nicht hinterher. Vielleicht auch vergleichbar mit meinen anderen Azubi-Kolleginnen und -Kollegen. Was würdest du denn zu dieser ja auch psychischen Auswirkungen sagen, die vielleicht gar nichts direkt mit der Beeinträchtigung zu tun hat?
00:22:57:03 -00:23:21:11
Christian: Auch da geht es, glaube ich, wieder um Offenheit. Also dass man vielleicht nicht hinterherkommt im Vergleich zu anderen. Ist ja dann auch für Dritte offensichtlich. Und wer das Gespräch nicht sucht, der kann das Problem nicht benennen. Und da kann man sich Hilfe holen. Auch die Handwerkskammern, die Ausbildungsberater stehen hier an der Seite der Azubis und der jungen Menschen und gehen auch mit den Betrieben ins Gespräch, um wirklich Sachen auf den Tisch zu bringen, die vielleicht noch verbessert werden können. Um das Ausbildungsziel zu erreichen.
00:23:22:20 - 00:23:30:24
Luca: Und wenn du dir eine persönliche Beratung wünscht, kannst du dich jederzeit an die Bundesagentur für Arbeit oder die Jugendberufsagentur vor Ort wenden.
00:23:30:26 - 00:24:10:08
Cedrics Geschichte zeigt: Auch mit einer chronischen Erkrankung kann man sich beruflich entwickeln. Er sagt Zähne zusammenbeißen und nicht aufgeben. Mit Mut, Unterstützung und auch einem gewissen realistischen Blick. Da kann das klappen.
Christian Jakobitz hat deutlich gemacht: Es gibt auch Möglichkeiten der Unterstützung. Und das gilt für jeden Ausbildungsberuf und für jede Region in Deutschland. Also hier lohnt es sich eben beim Arbeitgeber oder bei den Kammern oder bei der Bundesagentur für Arbeit nachzufragen. Da gibt es immer Optionen. Wir freuen uns, wenn ihr dann wieder einschaltet. Und wenn ihr in der Zwischenzeit Fragen habt, dann schreibt uns gerne.
zyndfunken ist ein Podcast des Bundesinstituts für Berufsbildung und ist gefördert vom Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Was tun, wenn du das EINE berufliche Ziel im Kopf hast, du dich aber nicht hundert pro auf deinen Körper verlassen kannst?
